Armer Henri

Kolumne Mai 2012

In Zeiten von Facebook, Twitter & Co. entlarvt man sich schnell als medialer Dinosaurier, wenn man noch einmal auf ein Ereignis zu sprechen kommen will, das bereits zwölf Tage zurückliegt. Da wird schnell das Gerede vom Schnee von gestern strapaziert.  Obwohl eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass dieser Schnee zur Lawine von morgen mutieren kann. Es geht um die notwendige Nachbearbeitung der Verleihung des bis dato alles in allem honorigen Henri-Nannen-Preises an zwei BILD-Redakteure und die Weigerung von drei Redakteuren der Süddeutschen Zeitung, diesen Preis zusammen mit den Kollegen des Schmuddelblattes entgegenzunehmen. Hier ging es nicht um irgendeine der vielen Ehrungen und Lobpreisungen, sondern um die Anerkennung für investigativen Journalismus.

In der Berichterstattung über das Ereignis war stets von einem Eklat bei der Preisverleihung die Rede. Ich bin da anderer Meinung, sehe Ursache und Wirkung verwechselt. Der Eklat war doch nicht die Absage Hans Leyendeckers, auf offener Bühne den Bronze-Henri samt Preisgeld zurückzuweisen, sondern bereits der Entscheid für BILD durch die zehnköpfige Jury. Im Übrigen hat sich dieses Gremium keinen Gefallen getan, als es dem Antrag eines Mitglieds folgte und zum ersten Mal geheim abstimmte. So stehen ausgerechnet in Zeiten des überbordenden Transparenzgebotes alle zehn unter Generalverdacht. Nicht nur jene fünf, die tatsächlich für BILD gestimmt haben. Auf drei komme ich spielend. Aber wer waren die beiden anderen? Es darf geraten werden.

Dabei hätte alles so schön werden können. Eine durch das Patt ausgelöste Teilung des Preises als Angebot zur Versöhnung des Unversöhnlichen: Boulevard und Qualitätsjournalismus auf Augenhöhe, Arm in Arm von der Bühne schreitend. Wie Augenzeugen berichten, hätte diese Inszenierung der Mehrheit der anwesenden 1200 Vertreter aus dem Reich der Medien samt Entourage wohl besser gefallen. So wurde offenbar Leyendeckers Auf- und Abtritt von vielen eher als peinliche Störung empfunden, denn als Versuch einer Rettung der verlorenen Ehre des seriösen Journalismus.

Wenn mir früher jemand prophezeit hätte, dass ausgerechnet BILD den Großen Preis für Investigation und Recherche bekommen würde, ich hätte ihn zum König der Panikmacher befördert. Zumal schon im Vorfeld reichlich Kritik geäußert wurde, als durchsickerte, dass BILD zu den Anwärtern auf die Auszeichnung gehört. Am härtesten äußerte sich Antje Vollmer mit guten Gründen. Die Jury wusste also, was sie tat.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Mich interessieren in dieser Causa nicht die beiden BILD-Reporter, sondern jene, die diesem Blatt Gelegenheit verschafft haben, sich künftig im Schafpelz fairer Berichterstattung zu wärmen. Natürlich kann man in Zeiten allgemeiner Gleichwertigkeit alles banalisieren. Dennoch glaube ich, dass jene Kritiker Recht haben, die in dieser Preisverleihung nichts weniger als einen gezielten Kulturbruch sehen.

 Als wahrer BILD-Reporter entpuppte sich der ausgezeichnete Martin Heidemanns, als er im Schwesterblatt Bild am Sonntag per Interview reichlich unverfroren zu Protokoll gab: „Schon die leidenschaftliche Debatte im Vorfeld beweist die große Bedeutung des Preises. Am treffendsten formulierte es Antje Vollmer. Der Henri-Nannen-Preis zählt zu den nobelsten Auszeichnungen, die im deutschen Journalismus vergeben werden. Damit hat sie recht!“

Willkommen im Club.

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