Der Online-Krake

Kolumne 16. Dezember 2013

Immer wieder AMAZON. Das ist nicht meine erste Kolumne zu diesem Kraken. Denn: Nichts ist erledigt! Global agierende Konzerne dieser Sorte sind gierig, erstaunlich resistent, wollen ständig wachsen und die Konkurrenten fressen, immer auf der Hut, nicht selbst verschlungen zu werden. Und sie sind solange erfolgreich, wie ihr ausgeklügeltes System alle legalen Tricks bis an die Grenze der Illegalität anwendet und dafür sorgt, dass sich immer mehr in ihrem Netz verfangen. Mit dem Unternehmertum alter Schule hat das nichts mehr zu tun. Einmal errungene Marktanteile werden im wörtlichen Sinn mit Zähnen und Klauen verteidigt. 

AMAZON ist so ein Riese. Aber wie bei allen Riesen gibt es eine entscheidende Schwachstelle, die zur Sollbruchstelle werden kann: die Abnehmer, die Käufer, die Kunden. Im Kampf gegen den Onlinegiganten sind sie die wichtigste friedliche Armee, die dem scheinbar übermächtigen Riesen ein Bein stellen kann. Denn AMAZON braucht täglich tausende Kunden, um ein System am Laufen zu halten, das von Lockangeboten für Premiumkunden, Portofreiheit, Dumpingpreisen, Zulieferererpressung und Ausbeutung der Mitarbeiter lebt.

Der Schriftsteller Peter Rühmkorf hat es einmal so formuliert: „Der Kapitalismus frisst seine eigenen Kunden.“ So sie sich denn fressen lassen. Denn Hin und Wieder wird die Konsumentenschar sich ihrer eigenen Kraft als der wahre Riese schon bewusst. Als vor Jahren wissenschaftlich nachgewiesen wurde, dass die im Treibgas enthaltenen Fluorchlorkohlenwasserstoffe, FCKW genannt, die uns schützende Ozonschicht zerstören, begann daraufhin ein Spraydosenboykott. Es waren nicht die Appelle an die produzierenden Firmen Hoechst AG und Kalichemie, die zur Einstellung der Produktion dieses Teufelszeugs führten, sondern die Produkte wurden einfach nicht mehr gekauft.

Im Gegensatz zu den weitgehend anonym agierenden Konzernen hat AMAZON sogar einen Namen: Jeff Bezos, eine Mischung aus Kugelblitz und Springteufel, der offenbar gerne vor Kameras herumhüpft. In Anbetracht seines Milliardenvermögens kann er das auch unbeschwert tun. Glaubt man den Fernsehbildern aus seinen Lagerhallen, gewinnt man den Eindruck, man blicke in eine Zombiewelt aus Kafka und Orwell. Die ARD hat sich schon zum zweiten Mal des Bezos-Reiches angenommen. Nach einer entlarvenden Dokumentation nun eine Runde bei Günther Jauch. Den entscheidenden Satz sprach Ranga Yogeshwar: „Konzerne, die keine Steuern zahlen, sind asozial“. Denn AMAZON zahlt in Deutschland kaum Steuern, nutzt aber alle Vorteile einer Infrastruktur, die von einem Rest dummer Deutscher finanziert wird, die sich nicht in Luxemburg steuerlich veranlagen lassen.

Nicht zur Sprache kam der Kampf um andere Tarifverträge. So verschafft sich AMAZON vor seinen Mitbewerbern Wettbewerbsvorteile, indem seine Arbeiter nicht nach dem zuständigen Tarif des Einzel-Versandhandels, sondern nach dem der Logistikbranche bezahlt werden. Von all dem liest man jetzt in einem halbseitigen Jubelartikel der Leipziger Volkszeitung nichts. Aber von einem Konzert, mit dem die Arbeitssklaven in ihrer Werkhalle zwangsbeglückt wurden. 

Deshalb hoffe ich, dass die von ver.di in der Vorweihnachtszeit durchgeführten Streiks richtig wehtun. Denn es bleibt dabei: Solange die Verhältnisse so sind wie sie sind, macht sich der Kunde mitschuldig. Jeder kann inzwischen über die Praktiken dieses Versandhändlers auf dem Weg zum Monopolisten Bescheid wissen. Ausreden zählen nicht mehr. 

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