Waffenlobby und Klimaskeptiker

Kolumne vom 17.01.2013

Der Spruch des Vizepräsidenten der größten US Waffenlobbyorganisation, wonach „der einzige Weg, einen schlechten Typen mit einer Kanone zu stoppen, ein guter Typ mit einer Kanone“ sei, hat selbst hartgesottene Vertreter des amerikanischen Freiheitsbegriffes nach dem jüngsten Massenmord für kurze Zeit am Verstand Wayne LaPierres zweifeln lassen.

Dabei versteht der Mann sein Handwerk. Über vier Jahrzehnte dient er bereits der NRA, die mehr als vier Millionen hochgerüstete Mitglieder hat und einem Wirtschaftszweig, dem die sicheren Milliardengewinne bisher immer das Gefühl gaben, das Recht des Stärkeren um jeden Preis, also auch um den von Menschenleben, zu vertreten. Nun soll vor Obamas zweiter Präsidentenvereidigung ein „Waffenwürdigungstag“ abgehalten werden. „Hände weg von meiner Waffe!“ wird man auf den Transparenten lesen und die mit US-Flaggen geschmückten Gun-Stores werden weltweit auf den Bildschirmen wie Tempel nationaler Wehrhaftigkeit erscheinen. Die von legal und illegal bewaffneten Amokläufern verursachten Tragödien haben eine relativ kurze Erregungs-Halbwertzeit in der Öffentlichkeit. Dann geht das Geschäft weiter.

Warum nur muss ich immer wieder an die Waffenlobby denken, wenn Wortmeldungen der sogenannten Klimaskeptiker auftauchen?

Das sind jene Personen, die mich sofort als Klimawandelhysteriker, grünroten Weltverbesserer, vielleicht sogar als Ökofaschisten bezeichnen würden, weil ich mir seit vielen Jahren Gedanken darüber mache, wie diese Welt den Treibhauseffekt aus unserer CO2-Überproduktion überstehen und für Menschen kommender Generationen bewohnbar bleiben kann. Ja, es gibt sie, die Leugner und Relativierer, die als gut vernetzte und hochaktive Lobbyisten im Internet mit zahllosen Einträgen alles kommentieren, was den globalen Klimawandel als von Menschen gemachte Gefahr beschreibt, zu bannen nur durch eine langfristige und  verantwortungsbewusste Klima- und Energiepolitik. „Nicht das Klima ist bedroht, sondern unsere Freiheit“, heißt einer der Leitsprüche aus dem Propagandaarsenal der Klimaskeptiker.  Wer da einen FDP-Sound heraushört, liegt gar nicht so falsch. Denn die FDP in Sachsen und die Liberalen im EU-Parlament, vertreten durch deren umweltpolitischen Sprecher Holger Krahmer,  sind fest entschlossen, Dresden als Wallfahrtsort einer „Fortschrittsoffensive“ zu etablieren. Im Juni vergangenen Jahres – jetzt nachzulesen in einer blau-gelben Broschüre mit dem FDP-relevanten Titel „Sind wir noch zu retten?“  – wurde eine „Alternative Klimakonferenz“ abgehalten. Dort forderte Experte Krahmer: „Die Menschheit soll sich anpassen an klimatische Veränderungen! Diese laufen ohnehin“, und seien „gar nicht beeinflussbar, wie wir uns das vorstellen.“ Ein Leipziger Honorarprofessor sekundierte: „Klimaschutz ist Nonsens. … Wir erleben die ‚wissenschaftlich’ begründete Vernichtung unserer Freiheit, die Herausbildung einer Diktatur.“ Im Dezember wurde nachgelegt in der  Fortschrittsoffensive – mit einer „Alternativen Energiekonferenz“. Europapolitiker Krahmer, zitiert in einer offiziell sächsischen FDP-Verlautbarung, „machte klar, dass der Trend zu den fossilen Brennstoffen gehe“. Und Spiegel-Redakteur Jan Fleischhauer „wies nach, dass der Umweltglauben eine Ersatzreligion ist.“ 

Die Lobbyisten der Klimawandel-Leugnungsindustrie müssen sich hinter den Waffenlobbyisten nicht verstecken. Unterschiede gibt es lediglich in der letalen Konsequenz. Bei Gebrauch einer Waffe erfolgt die Wirkung schneller.

Die Kolumne erschien am 17.01.2013 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau

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