Kolumne 17. Dezember 2014
Nein, das wird kein Text gegen Neonazis in Nadelstreifen, gegen demonstrierende Springerstiefelträger, gegen Verirrte, die sich nur noch in Schweigemärschen zu Wort melden können. Fünfzehntausend Dresdner auf den Straßen von „Elbflorenz“ muss maneinfach zur Kenntnis nehmen als ein politisches Ereignis, das Widerspruch herausfordert,will man sich nicht ignorant zurücklehnen und zu den immer politisch Korrekten zählen.
Wenn nur noch die Hälfte der Wahlberechtigten einen Sinn darin sieht, Mitbürgern ein Mandat zur Vertretung der eigenen Interessen zu geben, wenn öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und respektable Zeitungen auffallend häufiger von „braven“ Bürgern als „Systemmedien“ in die Propagandaecke gestellt werden, wenn die Angst vor Flüchtlingen, die um ihr Leben fürchteten, gegen eine „Asylantenflut“ in Stellung gebracht wird, dann scheint bei uns etwas falsch zu laufen. Und wir kommen dem kaum bei mit Pauschalurteilen und der Hoffnung, es werde schon irgendwie vorbeigehen.
Eine Partei, die vor zwei Jahren noch keiner kannte, wittert ihre Chance, den wahlmüden Teil der Bevölkerung für sich zu gewinnen, bereit auch mit Rechtsextremen die Straße zu teilen. Ihr Vizechef Alexander Gauland, den hier manche noch als den respektablen konservativen Zeitungsherausgeber in Erinnerung haben, hat sich jetzt geoutet: „Wir sind die natürlichen Verbündeten dieser Bewegung…Es ist richtig, wenn wir dabei sind.“
Ja, welcher Bewegung eigentlich? Worauf hofft Herr Gauland? Ist es die Bewegung der Ostdeutschen, die sich noch 25 Jahre nach der Vereinigung als die zu kurz Gekommenen empfinden, weil ihre Betriebe nicht überlebt haben und die Abwicklungs- und Modernisierungswelle sie zu Arbeitslosen und Frührentnern werden ließ? Die jetzt, da sie eine diffuse Überfremdungsangst befällt, sich noch weiter an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen? Sind das wirklich die Hoffnungsträger und politischen Partner des noblen, großbürgerlichen Herrn Gauland?
Vielleicht wittert er ja die Chance, Dresden zur neuen „Stadt der Bewegung“ zu machen. Oder will er nur auch einmal öffentlich rufen „Wir sind das Volk“. Doch er wird wohl nicht im Ernst zu denen herabsteigen, die ihre Wut kaum rational artikulieren können. Auf den Demonstrationen war bei allem Schweigen auch zu hören: Die Kriegsflüchtlinge sollten in „reiche Länder gehen“, „die Solidarität muss doch auch mal ein Ende haben. Wir haben doch selber genug Elend, ehrlich mal.“ Zu hören waren diese Sätze als Dokumente in einer Veranstaltung der sächsischen Landeszentrale für politische Bildung, zu der die Pegida-Organisatoren eingeladen waren und nicht erschienen sind. Mit ihnen ist der Dialog offensichtlich schwierig zu organisieren. Die AfD könnte bald an ihre Stelle treten, wenn es nicht gelingt, mit denen ins Gespräch zu kommen, die montags stumm durch Dresdens Straßen ziehen.
Auf zahlreichen Blogs im Internet, und nicht nur auf den rechtsextremen Altermedia-Seiten, herrscht Frohlocken über die Ratlosigkeit „der Politiker“ angesichts einer anschwellenden Wutbürger-Bewegung. Irrationale Vorfreude, die den Putsch herbeisehnt. In dieser Gemengelage geht es nicht mehr nur um anti-islamistische Initiativen. Einmal mehr geht es um die Verteidigung der wehrhaften Demokratie. Die Gegendemonstranten machen es vor. Zur allgemeinen Beruhigung: Es droht weder die Islamisierung, noch ist das Abendland ernsthaft in Gefahr.