Das mediale Kandidaten-Roulette

Kolumne Februar 2015

Der 15. Februar 2015 zählt für die SPD zu den glücklicheren Tagen im irdischen Jammertal. Endlich ein Ausbruch aus dem 25-Prozent-Ghetto der leidigen Umfragen. Zwar nur in einem Stadtstaat, doch jeder Wahlsieg ist Balsam für die geschundene sozialdemokratische Seele. Und wie das so ist mit den freudigen Ereignissen, es wollen auch Leute teilnehmen, die nicht auf der Einladungsliste stehen.

Aber was soll’s. Lag es nun an dem desaströsen Abschneiden der CDU, dem Wiedereinzug der FDP oder dem Neuling AfD – Anlass genug für die Medien, die Gestaltungshoheit über das politische Personal zu übernehmen. Die Berichterstatter hatten noch vor der Endauszählung Großes vor mit Olaf Scholz. Schon immer in inniger Fürsorge um das Wohlergehen Deutschlands ältester Partei vereint, stand der Beförderung des Bürgermeisters nichts mehr im Wege. 

Fragte die Berliner „B.Z.“ noch „Wird SPD-Scholz Kanzlerkandidat?“, galt er für die „Welt“ als möglicher Kanzlerkandidat „ob er will oder nicht“. Während die einen vom „Noch-nicht-Kandidaten“ raunten, beschlich andere schnell der süße Zweifel. Ein Herausgeber der „Zeit“ beklagte die üblichen Skrupel der SPD. Zwar könnten ihn „die Sozen gut gebrauchen, aber so kaltblütig ist die Partei nicht. Die (ideologische) Wahrheit ist ihr wichtiger, als die Wahlurne.“ Andere schalteten schon nach wenigen Tagen auf Rückwärtsgang, wollten „Angela Scholz“ (FAZ) nicht weitersiegen lassen. „Die SPD freut sich zu früh“, warnte acht Tage später die „Welt am Sonntag“. Eine Art Abschlussplädoyer hielt im „Stern“ FORSA-Chef Manfred Güllner, der Mann, der im wöchentlichen Umfrageunwesen die SPD immer etwas schlechter aussehen lässt: „Der ökonomisch kompetente Olaf Scholz setzt nämlich nicht auf soziale Umverteilung, sondern auf die Stärkung der Wirtschaftskraft…“.

Ihm wurde all das attestiert, was den erfolglosen Kandidaten vor ihm gefehlt habe. Als männliche Variante der Bundeskanzlerin hätte die SPD endlich wieder eine reale Chance. Ganz nach dem Motto: Von Merkel lernen heißt siegen lernen. Aber wer braucht wirklich zweimal Merkel? Mehr Rundum-sorglos-Paket im Neo-Biedermeier ist kaum vorstellbar. Außerdem hat sie sich mit ihrer alternativlosen Politik gleich selbst als alternativlos vor Verfolgern geschützt. Erinnert sich noch jemand an die Medienkampagne, die Peer Steinbrück ultimativ in die Rolle des Kandidaten drängte, um ihn anschließend umso gnadenloser zu demontieren? Auch diesmal verfolgt der Kandidatenzirkus das durchschaubare Ziel, das SPD-Führungspersonal schlecht aussehen zu lassen. Die mediale Herde hat stets unverhohlen für Angela Merkel geworben, und sie wird es weiter tun. Es sei denn, ein männlicher Merkel betritt die Bühne. 

Krude Schlüsse zog der „Spiegel“ aus der Hamburg-Wahl. „Weil Personen Wahlen entscheiden, sollten Parteien ihre Privilegien verlieren“, Verfassung hin oder her. Schließlich sei die Grundgesetzgarantie nur noch „das Alibi für den Machtmissbrauch der Parteien.“ Und weil er einmal dabei war, wollte der Autor den öffentlichen Rundfunk „aus dem Klammergriff der Parteien“ gleich mit befreien. 

Kanzlerkandidat Scholz – war da was? „Die wollen doch nur spielen“, beruhigte mich ein Freund mit Blick auf die unerbetene Kandidatensuche. Wenigstens eine Woche lang war Olaf Scholz der gefühlte neue Kanzlerkandidat der Genossenschar. Schauen wir mal, wen der allgemeine Medienrat als nächsten aus dem Hut zaubert. Denn die wollen doch nur helfen. 

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