Reich – reicher – am reichsten

Kolumne März 2015

Aus der Flut der Informationen haben sich dieser Tage zwei Meldungen herausgehoben, die gegensätzlicher kaum sein konnten. Über das Internet verbreitete Change.org die Tatsache, dass „der Flughafen Hamburg im vergangenen Jahr 97 Strafanzeigen gegen Flaschensammler gestellt hat, die gegen das dort geltende Sammelverbot verstoßen haben“.

Fast zur gleichen Zeit meldeten Deutschlands Zeitungen, dass unsere Reichen noch viel reicher sind, als bisher angenommen. Als Beleg dient eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Dabei ist erstmals der Besitz der Superreichen statistisch erfasst worden. Konnten diese doch bisher, nach dem Wegfall der Vermögenssteuer, ihr Wertvollstes vor der Öffentlichkeit geschickt verbergen. Jener Steuer, die vom Verfassungsgericht gekippt worden war mit der Maßgabe, in einem neuen Gesetzgebungsverfahren veränderte Bemessungsgrundlagen zugrunde zu legen. Dazu ist es noch nicht gekommen, weil sich jede Regierung scheut, dieses heiße Eisen auch nur zu berühren. Als SPD und GRÜNE zaghaft versuchten, im letzten Bundestagswahlkampf dieses Thema in Angriff zu nehmen, wurde besonders Kandidat Peer Steinbrück schärfst möglich medial abgestraft. Denn jeder, der es wagt, das bestehende Steuersystem in Frage zu stellen, muss mit heftigen Angriffen rechnen.

So kurios es auch klingt, als Quelle haben sich die Forscher des DIW der Weltrangreichenliste des US-Wirtschaftsmagazins Forbes bedient, auch auf deutsch in jeder größeren Bahnhofsbuchhandlung erhältlich. Aber was hilft es dem doofen Rest der steuerzahlenden Bevölkerung, wenn wir nun wissenschaftlich begutachtet wissen, dass dem obersten ein Prozent nicht nur ein Fünftel, wie bisher angenommen, sondern schon ein Drittel des privaten Nettovermögens gehört? Hat das für die Superreichen irgendwelche Folgen? NEIN, hat es voraussehbar nicht. Also wird das bis zum Überdruss strapazierte Bild von der immer weiter auseinandergehenden Schere zwischen Arm und Reich wie bisher durch die Medien klappern und das Auseinanderdriften ungestört weitergehen. Die in einer Art Trance gehaltene Bevölkerung kann  sich an der TV-Sendung „Wer wird Millionär?“ ergötzen und vom Lottogewinn träumen. Ähnliches geschieht ja nach der jeweiligen Veröffentlichung des Armuts- und Reichtumsberichts – gefälscht oder nicht. Wir nehmen alles zur Kenntnis, haken das Ganze ab und warten auf den nächsten Bericht.

Inzwischen sind dann die Reichen ganz nebenbei noch reicher geworden. Als ich 1972 (!) den Slogan „Die Reichen müssen noch reicher werden. Deshalb CDU“ plakatierte, hagelte es einstweilige Verfügungen, übrigens wegen Verwechslungsgefahr. Heute würden Parolen dieser Art als Tatsachenbehauptung wohl folgenlos bleiben.

Schließlich findet auch kaum jemand etwas dabei, wenn jetzt die griechischen Millionäre noch den Rest ihres Vermögens, für das sie nie Steuern gezahlt haben, auch nach Deutschland transferieren. Niemand hält sie auf und kaum jemand wundert sich, dass diese Art Volkssport nicht mehr auf die Reichen beschränkt bleibt.

Nach einem Sturm des öffentlichen Protestes wurden die 97 Strafanzeigen des Hamburg Airports wegen verbotenen Sammelns von leeren Flaschen inzwischen wieder zurückgezogen. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass diese Erlaubnis zum – auch ökologisch sinnvollen – Sammeln von Pfandflaschen irgendetwas an der Armuts- und Reichtumsverteilung in diesem unserem Lande ändert.

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