Kolumne März 2015
Letztens machte mich jemand mit den Usancen einer Branche bekannt, die ich nur als Konsument kenne. Als Mitarbeiter der Marketing- und Rennsportabteilung eines Autokonzerns weihte er mich in die Praktiken der Absatzförderung ein. So würde eine neue Karosse nicht etwa in Werksnähe vorgestellt, sei die Gegend auch noch so ferienparadiesverdächtig. Gefragt sei ein attraktiver Ort im möglichst fernen Ausland.
Denn für die reisefreudigen Fachmedien sei es verlockender, die Neuheit in weiter Ferne zu begutachten als in der Heimat. Warum also nicht Acapulco. Und wenn man schon einmal dort sei, lohne es sich doch, ein paar Urlaubstage anzuhängen, deren Kosten man gerne übernehme – auch für Frau oder Freundin. Für ‚give aways‘ sei gesorgt, den neuesten Rechner samt Smartphone und was sonst noch gut, teuer und transportabel ist. Mein Spießereinwand, derlei journalistische „Betreuung“ sei doch eine spezielle Form der Bestechung, wurde so gekontert: Der Aufwand sei lächerlich im Vergleich zu den Anzeigen, die man schalten müsse, wenn die Neuerscheinung verrissen würde.
Daran denke ich immer, wenn ich Berichte über Automessen lese, wie jetzt über den Genfer Autosalon. So berichtete die FAZ: „Kraftmeier unter Strom: PS-Boliden sind gefragt, Umweltziele geraten fast in Vergessenheit“. Und weiter: „Die Fahrzeuge zwischen Wolfsburg und Sant’Agata Bolognese trumpfen nur so auf mit kräftigen Motoren, und wer langsamer als in 4 Sekunden auf hundert ist, gilt als abgehängt. Fast wäre dabei verloren gegangen, dass auch der VW-Konzern Emissionsziele erreichen muss“. Klammern wir uns, die wir immer noch an den Frieden mit der Natur glauben, an das Wörtchen „fast“. Immerhin, so heißt es weiter, „fließen also die schönen Einnahmen aus dem Verkauf der teuren Acht- und Sechszylinder in die Entwicklung und Produktion neuer Elektroautos.“ Spät kommt Ihr, doch Ihr kommt, hoffentlich.
BILD wäre nicht BILD, wenn sie nicht auf ihre Weise auf die „TOP 10 der Automesse“ einstimmte. So erfahren wir: „Mercedes hat den Längsten!“: „Reiner Luxus: der Mercedes-Maybach 5600 Pullman (6,5 Meter, 530 PS) bietet alles, was man im Wohnzimmer braucht…. Preis 500 000 Euro.“ Die WELT empfiehlt einen weiteren Boliden: „Supercar, Superleistung: der Koenigsegg Regera hat 1500 PS.“
Pünktlich zum Frühlingsanfang, sprich Saisonauftakt, berauscht sich in der Süddeutschen ein Autor an einer „Offenbarung“ – „Die spinnen die Cabriofahrer? Aber ja. Ein offenes Auto hat weniger Stauraum, es verbraucht oft mehr Sprit, und das Stoffdach ist auch manchmal undicht. Aber kann es etwas Schöneres geben, als beim Fahren die Sonne und den Wind zu spüren?“ Aber ja, Herr Forster, da fiele mir noch eine Menge an Schönerem ein. Ehrlich.
Sorgen macht sich die FAS über die rituellen Im-Kreis-Fahrer. Unter der Überschrift „Freiheit für die Formel 1“ wird traurig konstatiert „Das Millionenpublikum schrumpft, das Spektakel ist dahin. Die PS-Branche bremst sich selbst. O ja, das hat Leben gerettet. Aber die Kunst wäre es, Autos zu bauen, die am Limit fahren und gerade noch beherrschbar sind“. Vollends ins Schwärmen kommt Anno H.: „Einmal hat man dem Vordenker der Formel 1 die Freiheit gelassen. Und was ist dabei herausgekommen? Ein Superbolide: 1483 PS, von Null auf 100 in 1,4 Sekunden, von Null auf 200 in drei Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 450 Kilometer pro Stunde. Keine Rücksicht, volle Pulle…“. Na dann, gute Fahrt, Vati.