Kolumne 14. April 2016
Seit Bekanntwerden der Panama-Papers wurden auf der nach oben offenen Empörungsskala bisher nicht beobachtete Werte gemessen. Nachdem nun die mediale Erregung wieder etwas abebbt, ist es Zeit für eine nüchterne Zwischenbilanz über die Folgen des Skandals für unmittelbar Beteiligte und Allgemeinheit. Der isländische Regierungschef musste dem Volkszorn weichen, der britische Premierminister ist ebenso angezählt wie der argentinische Präsident, Putin im Zwielicht. Auch einige Banker stehen unter Generalverdacht. Fortsetzung folgt.
Der digitale Fortschritt gebiert ständig neue Überraschungen. Zwar ist die Existenz von Briefkastenfirmen in Offshore-Oasen, -Paradiesen und sonstigen Wunderwelten auf Märcheninseln, Kleinst- und Großstaaten wie Großbritannien und den USA längst bekannt. Doch es genügte ein Anonymus, der in das digitale Riesenimperium der famosen Kanzlei Mossack Fonseca in Panama eindrang und Details öffentlich machte, Datenschutz hin, Datenschutz her. Erschreckend war lediglich die gigantische Anzahl dieser geheimen Depots.
Wäre die Sache mit Blick auf Steuern und Kriminalität nicht so ernst, könnte man sich über eine Parallelität der Ereignisse amüsieren. So hat die Bundespost fast zeitgleich verkündet, dass sie ihre real existierenden Briefkästen drastisch reduzieren werde. Ist Ähnliches für die gerade enttarnten dubiosen Briefkästen zu erwarten? Mitnichten. Höchstens Umschichtung ist angesagt. Denn die global tätigen Akteure werden sich durch Schäubles „10-Punkte-Plan“ und seine angedrohten Schwarzen Listen für schwarze Kassen nicht beeindrucken lassen.
Was wurde nicht schon alles folgenlos angekündigt. International agierende Konzerne wie Google, Amazon, Starbucks prellen mit ihrem legalen Steuerhinterziehungsmodell unseren Staat Jahr für Jahr um Milliarden, wie uns immer wieder vorgerechnet wird. Dabei sitzen die Finanzjongleure und Herren der kreativen Buchführung zu Lasten des noch ehrlichen Steuerzahlers nicht nur auf den Bahamas und den Jungfern- oder Cayman-Inseln, sondern oft im benachbarten Holland, Luxemburg oder in Irland. Starbucks zahlte mit seinen Kaffee-Tankstellen von 2002 bis 2012 hierzulande null Prozent Steuern. Anders ausgedrückt: Millionenbeträge wurden ganz legal hinterzogen. So zwingt bis heute kein Gesetz Konzerne wie IKEA, ihre Zahlen offen zu legen. Das sollte einmal ein kleiner mittelständischer Betrieb wagen. Die imaginäre Steinbrücksche Finanzkavallerie, die es nie bis in die Schweiz geschafft hat, würde notfalls schnell zur Taschenpfändung schreiten.
Ein anderes Beispiel aus dem hehren Reich der Künste. Die berüchtigten Zollfreilager, seien sie in Genf oder Singapur, sind ein hinlänglich beschriebenes dunkles Geschäftsmodell. Im VIP-Bereich der nächsten Basler Kunstmesse im Juni wird sicher wieder für diese anonymen Verstecke mit Diskretionsgarantie mit Hochglanzbroschüren geworben. Für Schäubles Transparenzoffensive und den G20-Coup werden sie bestenfalls ein müdes Lächeln übrig haben. Natürlich werden sie weitermachen. Auch deshalb, weil schon bisher nichts geschehen ist, um die bekannten Praktiken zu unterbinden.
Noch eine Randbemerkung zum Thema alltägliche Steuerhinterziehung. Einen Länderfinanzminister erreichte kürzlich der Hilferuf eines Registrierkassenproduzenten. Die Politik möge bitte gegen einen dreisten Missbrauch einschreiten. Seine Kunden verlangten immer häufiger Kassen mit einer ab Werk eingebauten Betrugssoftware.