Kolumne Mai 2016
Zu meinen Plakatmotiven, die partout nicht altern wollen, gehört: „Alle reden von Steuern. Wir zahlen keine. Bund der Steuerhinterzieher und Steuerflüchtlinge e.V.“ aus dem Jahr 2003. Abgebildet ist die Kehrseite eines Anonymus mit einem Rollkoffer, beklebt mit den Autokennzeichen CH, FL, GB, B und L.
Seitdem vergeht kein Jahr ohne neue Enthüllungen über legal-kriminelle Steuervermeidungen. Stets neue Aufregung, wenn es um den staatlichen Ankauf von CD-s mit den Daten betuchter Steuerflüchtlinge geht. Besonders der NRW-Finanzminister wurde anlässlich solcher Transaktionen oft ins Zwielicht gerückt nach dem Motto: Darf der das?
Dass auch immer wieder Banken als Fluchthelfer auf der Anklagebank saßen, wunderte niemanden mehr. Von der Alltäglichkeit dieser Steuervermeideaktionen konnte ich mich schon vor Jahren anlässlich eines Besuches in der Deutschen Bank Luxemburg persönlich informieren. Ein befreundeter Künstler hatte eine Plastik in ihrer Empfangshalle platziert. Während der Vernissage wurde ganz offen über die anlandenden Koffer voller Barem geplaudert. Es gab Wetten, wie viele Scheine wohl in die verschiedenen Gepäckstücke passen. Diese Geschäftspraktiken liefen jahrzehntelang. Auf Großflächenplakaten wurde ganz öffentlich dafür geworben.
Dass auch Staaten an diesen Machenschaften beteiligt sind, ist ebenfalls lange bekannt. So steht Großbritannien mit seinem dubiosen verzweigten Inselreich schon lange unter Generalverdacht. Für neue öffentliche Erregung sorgten die Panama Papers wohl nur aufgrund ihrer gigantischen Zahl geleakter Briefkastenfirmen dunklen Inhalts.
Über diesen aktuellen Skandal wurden die anderen legal-illegalen Praktiken fast wieder vergessen, denen man den Namen Lux Leaks gab. Luxemburger Behörden im Verbund mit einer Armee kreativer Berater haben zum Wohle ihres Landes die Steuerverpflichtung global agierender Konzerne oft genug bis auf phantastische null Prozent gerechnet. Steuer“spar“modelle von denen der brave Steuerbürger nur träumen kann. Und das alles unter Mitwirkung – oder soll man sagen „mit dem Segen“ – von Jean-Claude Juncker, von 1995 bis 2013 Premierminister des Großherzogtums. Diesen großen Staatsmann traf ich in Berlin anlässlich des Kongresses „Europa eine Seele geben“. Juncker hielt ein flammendes Plädoyer für die Werte Europas als Grundlage der europäischen Idee. Dass gerade sein Land aktiv daran mitgewirkt hat, den anderen Partnern Milliarden an Einnahmen vorzuenthalten, wissen wir spätestens seit den Enthüllungen von Lux Leaks.
Dass offensichtlich jeder Wahnsinn noch zu überbieten ist, beweist jetzt der vor luxemburgischen Gerichten laufende Prozess gegen die drei Whistleblowers, die den Finanzskandal öffentlich gemacht hatten. Dabei ist die Geschichte vom Schicksal des Überbringers einer schlechten Nachricht hinlänglich bekannt. Fest steht nur: Aufklärer dürfen nicht mit Dankbarkeit rechnen.
Wie immer das Urteil über die drei Aufrechten, denen wir jedenfalls als Bürger Dank schulden, ausfallen mag, erwarte ich einen Folgeprozess gegen den Partnerstaat Luxemburg, wenn nicht gar gegen Jean-Claude Juncker persönlich. Schließlich wurden über einen langen Zeitraum andere europäische Länder um Steuereinnahmen in gigantischer Höhe gebracht.
Sollten die drei tatsächlich verurteilt werden, leben künftig auch alle Steuerprüfer gefährlich. Schließlich ist es das Wesen ihres Jobs, Manipulationen verschiedenster Art aufzudecken.