Kolumne Juni 2016
Es gibt Botschaften, die man oft mehrmals liest, weil man glaubt, man hätte etwas überlesen oder missverstanden. So ging es mir vor wenigen Tagen mit einer Meldung in dieser Zeitung. Überschrieben war sie mit „Schäuble schützt die Unternehmen“ und „Steuergeheimnis bewahren“.
Als Autor und Kleinverleger in die Kategorie ‚Selbständiger‘ eingestuft, sollte ich mich eigentlich über derlei Botschaften freuen. Erst recht, wenn weiter verlautet: „Finanzminister Schäuble will die Offenlegung von Unternehmensdaten verhindern“. Schließlich scheint das Steuergeheimnis eines der letzten Geheimnisse in unserer digitalen Welt zu sein.
Doch dann der Schock. In der Berliner Zeitung: „Minister will Steuer-Geheimnis der Konzerne verteidigen“. Wie bitte? Der Mann will ernsthaft die weithin professionell organisierte – legale – Steuerhinterziehung der global agierenden Konzerne verteidigen? Jedenfalls hat sich unser aller Bundesfinanzminister öffentlich auf dem Deutschen Steuerberaterkongress in Berlin so geäußert, obwohl er natürlich weiß, dass vor allem Konzerne ihre Gewinne munter zwischen den Ländern verschieben und nicht dort korrekt ihre Steuern zahlen, wo sie ihre Umsätze erzielen. Lux Leak hat erschreckende Einblicke in diese Schleuserkriminalität geliefert.
Die Börsen-Zeitung vom selben Tage wird da noch deutlicher: „Schäuble und Wirtschaftsprüfer warnen vor übermäßiger Transparenz“. Die soll also auch weiterhin für die Steuertricksereien der Konzerne nicht verpflichtend sein? Dabei hat die EU mit den geplanten Länderberichten tatsächlich einmal durchaus Vernünftiges getan. Denn diese Berichte sollen offenbaren, wo GOOGLE, AMAZON, FACEBOOK, IKEA und Konsorten ihre Gewinne so lange hin- und herschieben, bis sich die Steuerpflicht gegen Null einpendelt, ‚Steueroptimierung‘ nennt man das.
Mit neuem Mut will die EU sogar noch einen Schritt weitergehen, den Finanzministern die Oberhoheit über dieses brisante Thema ganz entziehen und künftig den jeweiligen Justizministern übertragen. Justizminister Heiko Maaß hat schon einmal seine Zustimmung für diese Maßnahme signalisiert. Offenbar ist er bereit, jenen Amtseid ernst zu nehmen, den ein Minister bei seinem Amtsantritt zu schwören hat – auch wenn seine Verletzung nicht strafbar ist. Da ist doch so schön die Rede von der „Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden“. Nach bisher gängiger Praxis ist damit nicht gemeint, Wohl und Nutzen der Konzerne dahingehend zu mehren, dass sie der steuerzahlenden Gemeinschaft Milliarden vorenthalten.
In derselben Konferenz hat Herr Minister Schäuble in vorauseilendem Wahlkampf versprochen, die Steuern für den Mittelstand nach der Bundestagswahl 2017 zu senken. Da seiner Meinung nach Konzerne und Vermögende weiter geschont werden sollen, kann die Verteilungsmasse logischerweise nur von den viel beschworenen kleinen Leuten geholt werden. Ein feines Programm.
Wenn Herr Schäuble in Sachen Steuergerechtigkeit schon wenig von der EU hält, sollte er wenigstens einen Blick nach Frankreich riskieren. Dort haben Steuerfahnder gerade die Pariser Büros von GOOGLE durchsucht, um sich die flüchtigen Steuermilliarden zurück zu holen, in Großbritannien wurde der Internetkonzern ebenfalls nachträglich zur Kasse gebeten. Das wären doch auch hierzulande Aktionen zum ‚Wohle‘ und ‚Nutzen‘ des Volkes.
Übrigens, Herr Schäuble, sie leben auch von meinen Steuern – nicht umgekehrt.