Kolumne Juli 2016
„Mit Tempo 132 durch die 30er-Zone“ (Der Tagesspiegel), „Formel 1 im Leihwagen“ (Welt am Sonntag), „Die Totschlag-Raser“ (Der Tagesspiegel) „Ein Toter und mehrere Rasereien“ (Der Tagesspiegel), „Illegales Autorennen: Polizei beschlagnahmt 135 Fahrzeuge“ (Berliner Morgenpost), „Raser gestoppt“ (B.Z.), „Illegales Rennen: Fahrer wird aus Auto geschleudert“ (Der Tagesspiegel).
Das sind nur wenige Überschriften aus meiner dicken Mappe von Fundsachen zum Thema ‚Illegale Wettrennen‘ aus dem Berliner Raum. Diese Testosteron-Fahrten sind natürlich nicht auf die Hauptstadt beschränkt. Vor allem auf Brandenburger Straßen finden sie schon seit Jahren statt – mit und ohne Kollateralschäden. Ganz nebenbei, dieses Bundesland führte die Liste der Verkehrstoten mit 179 im Jahr 2015 an.
Wie andere zum Kegeln, verabreden sich die Rennraser zunehmend übers Internet, um auch später mit den gefilmten Crash-Fahrten im Netz prahlen zu können. Natürlich müssen es für die Spätpubertierenden öffentliche Straßen sein, weil es offenbar ein besonderes Vergnügen bereitet, unter den anderen Verkehrsteilnehmern Furcht und Schrecken zu verbreiten.
Lange, zu lange hat der Gesetzgeber damit gewartet, der Raserszene härter zu begegnen. Bisher hatten die gemeingefährlichen Fahrer mit ihren meist hochgetunten Blechkisten, wurden sie einmal in flagranti erwischt, wenig zu befürchten. Derlei kriminelles Verhalten wurde nur als harmlose Ordnungswidrigkeit eingestuft mit leicht verkraftbaren Bußgeldern bis zu 400.- Euro und einem Monat Führerscheinentzug.
Doch nun kommt Bewegung in die Raserei. Den heiligen Kühen auf vier Rädern samt ihren rücksichtslosen Fahrern geht es jetzt an die Gaspedale. Künftig drohen wesentlich härtere Geld- und sogar Gefängnisstrafen, sowie fünf Jahre Entzug der Fahrerlaubnis. Vor allem Letzteres dürfte schrecken, auch wenn es im ersten Anlauf zum Totalentzug noch nicht gereicht hat. Das hilft zum Beispiel dem Sohn des ehemaligen Kölner OB auch nicht mehr, aber es ist wenigstens ein Zeichen. Als unbeteiligter Passant war dieser 2001 im Alter von 31 Jahren von einem Raser tödlich verletzt worden. Unbegreiflich, dass ausgerechnet der Parlamentarische Staatssekretär Norbert Barthle samt Verkehrsminister sich bis zuletzt gegen die überfällige Verschärfung stellte, die von NRW und Hessen eingebracht worden war. Immerhin hat er sich damit die Anwartschaft auf das Goldene Lenkrad verdient, das jährlich von Bild und ADAC in festlichem Rahmen verliehen wird.
Dass derweil die ganz legale Raserei auf deutschen Straßen und Autobahnen weitergeht, sei nur am Rande vermerkt. Jüngstes Beispiel: „Möbelhändler in Ferrari verbrannt. Mit 490 PS raste Sven H. in seinem Ferrari F430 Spider auf der Autobahn in den Tod“. Noch bleibt es für jede Partei, jeden Politiker lebensgefährlich, etwa Tempo 100 auf der BAB zu fordern.
Auch in der Schweiz sind Verkehrsrowdies ein Problem. Seit 2013 werden dort Temposünder härter bestraft, als Teil der Rasergesetzgebung namens Via Sicura. Wird etwa ein Fahrer in Tempo-30-Zonen mit über 70 km/h gestoppt oder innerorts mit über 100 km/h geblitzt, ist er den Führerschein für mindestens zwei Jahre los, bei Rückfälligkeit für immer. Laut NZZ ist jetzt eine Westschweizer Gruppierung dabei, Unterschriften für eine Volksinitiative gegen die Gesetzgebung zu sammeln. In Deutschland wäre eine solche Befragung wohl im Sinne der Urheber erfolgreich. Auf das Schweizer Ergebnis bin ich gespannt.