Der „Trump 100 Club“

Kann man zum Wahlkampfhelfer für T. auch dann erwählt werden, wenn man gegen den US-Präsidenten schreibt? Kolumne vom 28.05.2020

Es ist schon ein seltsames Gefühl, zu den „Auserwählten“ zu gehören. Kürzlich wurde ich für kurze Zeit in diesen Zustand versetzt. Ich war eingeladen, dem „Trump 100 Club“ beizutreten. Angesprochen von Donald T. höchstselbst, einer derjenigen zu werden, „an die ich mich wende, wenn ich den Rat des amerikanischen Volkes brauche“. Einzige Bedingung: bis Mitternacht hätte ich mindestens 42 Dollar – nach oben blieb die Summe offen – auf ein Konto des Trump Make America Great Again Committee (TMAGAC) einzuzahlen.

Klaus Staeck, 2017, Postkarte

Ich, ein Wahlkampfhelfer, nur weil ich vor drei Jahren für ein Plakatmotiv den damals noch frischen US-Präsidenten auf einer Kanonenkugel als Lügenbaron reiten ließ? Wie sich später herausstellte, war der Schuss zu früh losgegangen, denn man konnte noch nicht ahnen, dass mit Trump die Lüge als Dauerfeuer zum Markenzeichen des Weißen Hauses geraten würde.

In der Wochenzeitung „Die Zeit“ las ich ein Interview mit dem Autor Paul Auster über den gegenwärtigen Zustand der USA als „Ergebnis eines 50-jährigen Rechtsrucks“. Der Name Donald Trump taucht nicht einmal auf. „Ich ertrage den Mann nicht. Er hat ein Vokabular von 16 Wörtern, sagt jeden Satz doppelt, und jeder ist gelogen. Ich nenne ihn Nummer 45 oder Monster.“ Auster erinnert an die Macht der Lüge, „seit Joseph Goebbels wissen wir, wissen Sie in Deutschland, was möglich ist“.

Ich wäre übrigens kein Club-Mitglied geworden, weil das Fundraising-Komitee in seiner Satzung festgelegt hat, dass sich nur US-Bürgerinnen und -Bürger oder Green-Card-Besitzerinnen und Besitzer bewerben und spenden dürfen.
Also, wenn ich gar nicht gemeint war, wer hat dann meine E-Mail-Adresse für diese exklusive Einladung weitergereicht – und an wen? Wenigstens die Antwort auf die zweite Frage wird im Impressum der Internetseiten beantwortet – es sind die Breitbart-News. Dieser rechtsradikale Nachrichtenpfuhl und sein zeitweiliger Chef Steve Bannon kamen in der Tat schon mehrfach in meinen Kolumnen vor. Breitbart und Fox-TV sind neben Twitter Trumps wichtigste Informations- und Verlautbarungsmedien.
Um Bannon war es nach dem gescheiterten Versuch, in einem norditalienischen Kloster ein europäisches Hauptquartier einzurichten, still geworden. Salvini und Marine Le Pen, Orban, Gauland und andere europäische rechtsdrehende Kräfte schafften es nicht, sich als Gegner der EU zusammenzutun und Bannon zum Chefideologen zu ernennen.
Dabei könnten sie von diesem Strategen des politischen Radikalismus einiges lernen. Angeblich bereitet er sich gerade auf sein Wiederauftauchen vor, um Nummer 45 vor der Niederlage bei den anstehenden Wahlen im November zu bewahren.
Er hat im ersten Wahlkampf dem republikanischen Präsidentenbewerber T. vor allem die Dekonstruktion des Verwaltungsstaates als Wahlversprechen eingeredet, gerichtet gegen alle, die für Regulierung, Fachwissen und Respekt vor wissenschaftlicher Kompetenz in der politischen Führung des Landes standen.
Das beängstigende Aufblasen des Feindbildes China, die wachsenden Drohungen gegen die Regierung in Peking – das alles könnte auf Bannons nie unterbrochenen Einfluss auf die Politik Trumps hindeuten, wie der in London lehrende USA-Analyst Inderjeet Parma jüngst schrieb.
Er befürchtet sogar, dass sich die Bannon-Trump-Achse vor der Auseinandersetzung mit China „den inneren Feinden des amerikanischen Volkes“ widmen wird. „Wenn Trump gewinnt, dann setzt es vier Jahre Rache“, zitieren US-Medien Bannon.

Die Kolumne erschien am 28.05.2020 in der Frankfurter Rundschau und unter dem Titel „Wie ich fast Unterstützer von Donald Trump wurdein der Berliner Zeitung.

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