Sind 86 Cent das wert?

Die Landtagsabgeordneten der CDU in Sachsen-Anhalt sind bereit, mit der AfD gemeinsame Sache in der Rundfunkpolitik zu machen. Sie setzen nicht nur ihre Regierungskoalition aufs Spiel. Es geht um mehr. Kolumne vom 26.11.2020

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk ist teuer. Er kostet uns jährlich 8 Milliarden Euro. Eine Summe, die von allen Haushalten eingezogen wird, nur soziale und gesundheitliche Härtefälle sind befreit. Über die Höhe des Beitrags entscheidet eine Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs, die den Anstalten auf die Finger schaut, ob sie Reform- und Optimierungsüberlegungen nachkommen. Die Empfehlungen der KEF werden den 16 Landesparlamenten zur Abstimmung zugeleitet. Jeder Wunsch nach einer Steigerung der Bürgerabgabe gerät folgerichtig in die Kritik der Abgeordneten, spürbare kostensenkende Reformen habe es noch nicht gegeben. Die Anstalten verteidigen sich: der lineare Betrieb von 20 TV- und 70 Hörfunksendern wird von einer Online-Offensive begleitet, die vor allem jüngere Hörer und Zuschauer zurückholen soll, die durch das weltweite Web-Angebot an festen Programmzeiten längst kein Interesse mehr haben. Die Herausforderung bestehe darin, Doppelstrukturen vermeiden, lineare und non-lineare Angebote durch gemeinsame Programm- und Personalplanung zusammenführen statt den Apparat weiter aufzublähen. Die Führungsebene von ARD und ZDF haben inzwischen begriffen, dass sie in den Landesparlamenten mehr Überzeugungsarbeit leisten müssen, wenn sie auch nur eine moderate Beitragserhöhung erreichen wollen. Zu viele Versprechungen, über die Höhe von Intendantengehälter nachzudenken, den Programmauftrag zu schärfen, Millionensummen nicht mehr in Sportrechte zu versenken liefen bisher ins Leere. Für das kommende Jahr hat der ARD-Vorsitzende Tom Buhro eine groß angelegte programmstrategische Klausur angekündigt. Die Erwartungen der Kritiker wie der Befürworter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sind so hoch wie nie zuvor. Das erfuhren Intendanten und Intendantinnen wie der Chef des Deutschlandradios zuletzt bei einer Anhörung im Medienausschuss von Sachsen Anhalt. Dort blockiert die CDU-Fraktion die beabsichtigte Beitragserhöhung. Und sie hat die AfD auf ihrer Seite.


Die Partei der Rechtsradikalen und ihrer rechtskonservativen Mitläufer macht mit der Bedrohung eines demokratisch verfassten und kontrollierten Rundfunks nur ihren Job – wie im Parteiprogramm angekündigt. Abschaffung des Beitrags, Umwandlung in ein Bezahlfernsehen mit Verschlüsselung des Zugangs, Gremienwahl durch Zuschauer statt Repräsentanz gesellschaftlich relevanter Gruppen. Wenn sich aber weite Teile der Bevölkerung dem Bezahlangebot entziehen oder es sich nicht mehr leisten können, würden mit immer weniger Abonnenten die verbleibenden Programmangebote immer teurer. Der Tod der Anstalten wäre eingeläutet. Zuvor aber, so MdB Brandner, früher CDU-Mitglied, jetzt für Thüringen Höckes Stimme im Bundestag, sollte der öffentlich-rechtliche Rundfunk (vor seinem Tod) „zur Ausstrahlung von Parteiinformationen verpflichtet“ werden und Werbefilme der Parteien ins Programm aufnehmen (B. in einer Presseinformation der AfD vom 16.4.2020). „Zuerst auf Erhöhung der Rundfunkgebühren verzichten, dann abschaffen“, heißt es in einer weiteren Brandner-Verlautbarung. Die Medienpolitiker der Landesregierung in Sachsen-Anhalt ernten nur seinen Spott: die CDU springe auf den fahrenden Zug auf und hechele der Argumentation der AfD hinterher. In der Tat, besser kann man es nicht beschreiben, was eine Verweigerung der Beitragserhöhung bedeuten würde. Für den Verräterlohn von 86 Cent würden sich Christdemokraten gemein machen mit der rechtsextremen Alternative.

Die Kolumne erschien am 26.11.2020 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.

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