Frankreich und die USA wollen den Einfluss von Onlinefirmen wie Amazon beschränken. Die EU sollte folgen. Die Kolumne vom 10.12.2020
Es gibt auch noch die guten Meldungen in trüben Zeiten. Jedenfalls betrachte ich sie als solche, wenn über die gefräßigsten Kraken unter den internationalen Großkonzernen berichtet wird. Insoweit verdient Amazon mit seinem omnipräsenten Chef Jeff Bezos besondere Aufmerksamkeit, wenn es um die Gewinner und Verlierer in Zeiten der Pandemie geht. Denn jede Krise hat auch ihre Profiteure.
Eine der guten Nachrichten: „Streik bei Amazon geht weiter“. Nach den Angaben meiner Gewerkschaft Verdi haben die Beschäftigten im laufenden Weihnachtsgeschäft und kurz vor dem umsatzstarken „Black Friday“ an zwei Standorten in Bad Hersfeld die Arbeit niedergelegt. Seit Jahren fordern sie, endlich nach den Tarifverträgen des Einzel- und Versandhandels entlohnt zu werden, statt nach den schäbigen Bedingungen der Logistikbranche. Während der Online-Handel exorbitant zulegt, ist übrigens der Durchschnittslohn jener gesunken, die im Supermarkt arbeiten.
Dabei geht es nicht um die Dämonisierung dieses besonders skrupellos agierenden Branchenriesen. Schließlich ist er keine virtuelle Erscheinung der Konsumwelt, sondern wird täglich über die Maßen üppig gefüttert vom Heer der Kunden, dem es egal zu sein scheint, dass der sonst so geschätzte Einzelhandel vor die Hunde geht.
Natürlich kann weder ein Geschäft in Berlin noch in der Heidelberger Hauptstraße mit den behaupteten 15 Millionen Produkten konkurrieren, die allein das Logistikzentrum in Mönchengladbach vorrätig haben will. Ein weiteres Zentrum soll 30 Kilometer von Göttingen entfernt entstehen, obwohl die Hälfte der Bürgerinnen und Bürger dagegen ist. Ganz praktisch wurde dieses Projekt jetzt erst einmal durch eine Ackerbesetzung gestoppt.
Denn es heißt, dass für den Neubau eine Fläche von 400 bis 600 Fußballfeldern versiegelt werden müsse. Auch in Echzell im Wetteraukreis hat jüngst der BUND mit Unterstützung von anderen Naturschutzverbänden im Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gießen einen vorläufigen Baustopp für eine weitere Logistikhalle des Amazon-Imperiums erwirkt.
In Frankreich ist man einen Schritt weiter, wenn es um die Bekämpfung des Online-Riesen auf dem Weg zum Monopol geht. Mit dem Schlachtruf der Kulturministerin „Amazon stopft sich voll“ wurde zum Boykott dieser „Schmutz-Konkurrenz zum freien Handel“ aufgerufen. In einer Petition mit der Überschrift „Weihnachten ohne Amazon“ wird zwar auf den Begriff Boykott verzichtet, dafür ist von „digitalen Wegelagerern“ die Rede.
Von Steuern möchte man bei Amazon am besten gar nichts hören und rechnet sich durch allerlei Manipulationen gegen Null. Offenbar reicht es, wenn die Schnäppchenjäger-Kundschaft zur Kasse gebeten wird. In Zukunft wird sie das wohl noch gewaltig, wenn es um die Begleichung gigantisch angehäufter Schulden in den jeweiligen Ländern geht, damit das Staatswesen samt Daseinsvorsorge und Demokratie nicht zusammenbricht.
Ich gehöre nicht zu den Leuten, die stets erst und immer lauter nach der Politik rufen, wenn etwas schiefläuft. Aber selbst noch zu Donald Trumps Amtszeit haben die USA damit begonnen, die Praktiken der schier allmächtigen Konzerne durch öffentliche Anhörungen im Kongress zu hinterfragen – mit dem Versuch, ihrem gemeinschädlichen Treiben wenigstens Grenzen zu setzen.
Wird die Europäische Union mit ihrer europäischen Plattform-Verordnung wirkungsvoll nachziehen, um gegen weiteren Missbrauch der Marktmacht durch Wettbewerbsverzerrung vorzugehen?
Die Kolumne erschien am 10.12. 2020 in der Berliner Zeitung und in der Frankfurter Rundschau.