An der Seite von Roberto Saviano

Der italienische Autor kämpft seit Jahren gegen die Mafia und für die Demokratie. Dafür wird er angefeindet – unter anderem von Giorgia Meloni. Kolumne vom 24.08.2023

Seit einer Ausstellung im Teatro Massimo von Palermo, die mir 1988 das Goethe-Institut vermittelte, und wo ich dem legendären Bürgermeister Leoluca Orlando begegnet bin, hat mich dessen Kampf gegen die Mafia fasziniert. Nun hat er nach mehrfachen Amtsperioden vor einem Jahr nicht mehr kandidiert. Dass er bis zum Ruhestand am Leben blieb erscheint fast als Wunder. Richter Giovanni Falcone war dies nicht vergönnt.

Akademie-Gespräch im März 2012 mit Roberto Saviano und dem Journalisten Frank A. Meyer (Moderation). Foto Manfred Mayer

„Der Kampf geht weiter“ – diesen Titel gab Roberto Saviano vor einigen Jahren seiner alarmierenden Reportage über die kalabresische Ndrangheta, die mit Bestechung, Erpressung und Geldwäsche das Prinzip Mafia zu einem globalen Wirtschaftsfaktor des „kriminellen Kapitalismus“ entwickelte. Als ich in Berlin Akademie-Präsident war und ein Gesprächsprogramm einführte, das auch jenseits der klassischen Künste Themen aufgriff, die Gesellschaft und Politik berührten, war Saviano einer meiner Favoriten. Seit er 2006 „Gomorrha“ veröffentlicht hatte, mußte er um sein Leben fürchten. Die Einladung war auch eine Reverenz an seinen Mut, seine Unbestechlichkeit, mit der er seinen Beitrag leistete, die Demokratie in Italien und in Europa zu verteidigen.

Er sparte an diesem Abend nicht mit Kritik an deutschen Behörden, die es bislang nicht fertigbrachten, den Finanzströmen von Drogenkartellen, illegalem Glücksspiel und Geldwäsche zu begegnen. Denn ohne wirksame Anti-Mafia-Gesetze könnte die ganze Welt in Geiselhaft geraten. Eine meiner Intentionen zur Einladung in die Akademie war, Saviano Solidarität zu erweisen, ihm zu zeigen, dass seine Aktionen internationale Anerkennung finden. 

Die hat er nun, elf Jahre später, wieder bitter nötig, weil Ministerpräsidentin Meloni und ihr rechtsnationaler Regierungspartner Salvini wollen, dass ein Gerichtsurteil Saviano zum Schweigen bringt. Er hatte die beiden wegen ihrer Haltung in der Flüchtlingspolitik – zugegeben, wenig fein – als „Bastarde“ bezeichnet, was aber in der italienischen Alltagssprache eher verbreitet ist als im deutschen Sprachgebrauch. Schwerer wiegt jedoch, dass Saviano vor einigen Wochen durch regierungshörige Rundfunkchefs aus dem Staatssender RAI vertrieben wurde. Eine bereits produzierte Sendereihe über das organisierte Verbrechen, deren Ausstrahlung im Herbst gerade noch beworben wurde, ist gestrichen.  Die RAI-Führung nennt einen Ethik-Kodex für Mitarbeiter als Begründung.  Für Saviano ist der Vorstandschef ein „Büroangestellten der Lega“, der einen stramm-rechten Meloni-Gefolgsmann auf den Posten des neuen Generaldirektors berufen hat. Weil Savianos Verdienste im Anti-Mafia-Kampf und seine mutige Souveränität aber außer Frage stehen, ist in der Führungsebene der RAI ein offener Streit entbrannt, den jedoch der Vorstandsvorsitzende mit dem Rauswurf des Autors für sich entschieden hat. Die RAI-Präsidentin Marinella Soldi wird für ihre Verteidigung Savianos von rechten Politikern heftig angegriffen. Vielleicht sind auch ihre Tage gezählt.

Melonis Ziel ist es, mit den Europawahlen 2024 eine große rechtspopulistische Familie zu schaffen. Gemeinsam mit Morawiecki und Fiala aus dem rechten Lager Polens und Tschechiens ist sie bereits Mitglied des Europäischen Rates der Staats- und Regierungschefs. Meloni agiert raffiniert genug, keine nennenswerte Konfrontation mit der EU-Kommission in Brüssel zu schaffen und gilt so als „anschlussfähig“. Wenn dies eines Tages selbst für die AfD gelten sollte, wird es auch für unsere Demokratie gefährlich.

Die Kolumne erschien am 24.08.2023 in der Frankfurter Rundschau.

Video-Aufzeichnung des Akademie-Gesprächs mit Roberto Saviano in der Akademie der Künste, Berlin, März 2012. Grußwort des italienischen Botschafters Michele Valensise, Lesung von Ulrich Matthes und Gespräch mit Roberto Saviano, Klaus Staeck, Frank A. Meyer (Moderation). Ca. 60 Minuten. Eine Produktion von ZEITZEUGEN TV in Kooperation mit der Akademie der Künste.

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