Kolumne vom 14.11.2024
Wie gewinnt die Politik das Vertrauen zurück? Darüber diskutierten am Dienstagabend im „rbb-Bürgertalk“ Politiker der CDU, der Grünen und der SPD im Berliner Fernsehstudio. Am Ende der Sendung das Desaster: die Zuschauer befragt, wen sie sich als Kanzler/in wünschen würden, stimmten mit unglaublichen 37% für die AfD-Kandidatin. Schöne Aussichten für den Wahlkampf.
Ich meine, wir sollten uns deshalb das politische Personal, das sich hinter Frau Weidel längst eingerichtet hat, genauer ansehen. Zum Beispiel Dr. Tillschneider, kulturpolitischer Sprecher seiner Partei im Landtag von Sachsen Anhalt, der in den vergangenen Wochen bundesweit in den Feuilletons Beachtung fand. Mit seinem AfD-Antrag, die Erinnerung an 100 Jahre Bauhaus in Dessau als „Irrweg der Moderne“ zu geißeln statt zu feiern, griff er auf jene präfaschistischen Ideologen zurück, die das Bauhaus schon aus Weimar vertrieben hatten. Das immerhin zum UNESCO-Weltkulturerbe zählende Bauhaus werde zu Unrecht glorifiziert, weil es einen menschenfeindlichen Wohnungsbau in die Welt gebracht habe.
Ohne großen Rechercheaufwand findet man die Quelle Tillschneiderscher Argumentation: Paul Schultze-Naumburg. Der konservative Architekt und Kulturtheoretiker, Mitbegründer des Werkbundes hatte sich zum glühenden Rassisten und Antisemiten entwickelt. Sein früher Weg zur NSDAP war so konsequent wie sein Kampf gegen die Weimarer Bauhäusler. Man könnte die geistigen Ausflüge des einschlägig bekannten AfD-Funktionärs ins Traditionskabinett seiner Partei als erwartbare Provokation hinnehmen. Aber es verbirgt sich mehr dahinter, nämlich die schrittweise Ausweitung der ideologischen Kampfzone auf die Kulturpolitik in jenen Bundesländern, wo die Wahlergebnisse den Rechtsradikalen zu wachsendem Selbstbewußtsein verholfen haben. Tillschneider, der in Freiburg Islamwissenschaft studierte, bevor ihn die AfD-Karriere in den Nordosten lockte, hat wie andere seiner Parteifreunde kein Problem mit einer autoritären Führung, der sich die Leute aus Kunst und Kultur unterzuordnen haben. Die Programmgestaltung der Theater und die Ausstellungskonzepte von Museen und Galerien würden wohl den Vorstellungen rechtsnationaler bis rechtsradikaler Kultur- und Finanzpolitiker entsprechen müssen, sollten sie dereinst in Regierungsverantwortung gelangen.
Da sich der Antragsteller mit dem markanten Schultze-Naumburg-Wort vom „Irrweg der Moderne“ (aus dessen Werk „Kunst und Rasse“) exponiert hat und bereits in einer früheren Rede zum Bauhaus „von einer abgrundtiefen Häßlichkeit … unerträglich anzuschauen“ sprach, kommen auch dessen andere Volksbelehrungen ins Visier. So erschien im Mai über facebook sein Aufruf „Leute, lest Iwan Iljin!“ Er richte sich gegen die „Lehre der Schwachheit“, der Menschen folgten, „die besonders unklug, willenlos und wenig gebildet waren und anfällig für eine vereinfachte, naiv idyllische Weltsicht“. Iljin – in aller Kürze – ein militanter Philosoph und Antibolschewist lobte im Schweizer Exil 1933 Hitler als Verteidiger Europas gegen eine bolschewistische Herrschaft. Dem künftigen „einigen und unteilbaren Russland“ wünschte er nach dem Krieg als eurasischem Staat eine autoritäre Diktatur im Stile Francos.
Im Jahre 2005 wurden Iljins sterbliche Reste heimgeholt und im Beisein Putins – der den russisch-nationalistischen Vordenker ebenfalls gern zitiert – auf dem Moskauer Donskoj-Friedhof beigesetzt. Wir sollten Tillschneiders Zitate – wie die Wahlkampfsprüche seiner Partei – weiter beobachten.
Die Kolumne erschien am 14.11.2024 (online am 13.11.) unter dem Titel „Mehr als eine Provokation“ in der Frankfurter Rundschau.
Schaut man etwas genauer auf „das Bauhaus“, die Ideologen darin und auf deren Folgen, könnte man zu den „führenden Köpfen“ dort, übrigens damals allesamt Männer, durchaus etwas kritische Distanz einnehmen. Ich erinnere entsprechende Einordnungen durch einen Professor während meines Architekturstudiums…
Hier aber wird ohne ein einziges Argument f ü r die Qualität der Architektur – abgesehen vom UNESCO-Titel – doch nichts anderes gemacht als zu „glorifizieren“…ich bin nicht überzeugt, dass man durch solche „Beobachtungen“ die AfD „stellt“ – man muss sie schon verbieten!