Letzte Ausfahrt

  Kolumne  Dezember 2009

Ausgehend von einer alarmierenden Nachricht im SPIEGEL entstand vor 38 Jahren mein erstes Umweltplakat. Damals hielten die meisten dieses Thema für exotisch und mich für einen notorischen Schwarzmaler. Nur wenige haben in den 70er Jahren den Ernst der Lage begriffen. Heute wissen wir fast alles über den Klimawandel und seine katastrophalen Folgen. Der Klimagipfel in Kopenhagen hat geradezu einen Informationsrausch ausgelöst. So viel Gletscherschmelzen, Wüstenstürme und Eisbärenliebe war noch nie. Doch wie ernst zu nehmen ist diese Umweltlawine eigentlich, die uns da täglich überrollt?

Sogar der viel zitierte „Starökonom“ Hans-Werner Sinn hat jetzt erkannt, dass durch die anhaltende Erderwärmung der Meeresspiegel noch in diesem Jahrhundert um sieben Meter steigen wird. Der neue Umweltexperte liegt damit sogar noch deutlich über den Schätzungen anerkannter Klimaforscher. Der Einsicht folgt leider keine klare Botschaft. 

So verdammt Sinn die bisherige Umweltpolitik als idealistischen Alleingang und predigt eine für ihn sinnvolle, aber ökologisch verfehlte Kurskorrektur. „Weil es fünf vor zwölf ist“, schwört er auf billigere Techniken zur CO2-Vermeidung: neue Kernkraftwerke und Endlager. Statt in erneuerbare Energien zu investieren, setzt der Volkswirt bei den kostenintensiven Umwelttechnologien den Rotstift an und rettet so den Atomstrom. Für seine Thesen räumte ihm die Wirtschaftsredaktion der FAZ eine ganze Seite ein. Nur einen Tag später bemühte das Feuilleton dieser Zeitung den Klimafolgenforscher Hans Joachim Schellnhuber, um „Deutschland als Pionier der Umwelttechnologie“ auch aus „rein ökonomischen Erwägungen“ zum Ausbau der regenerativen Energien aufzufordern. Da fragt man sich: Ja, was gilt denn nun? 

Aber nicht wem die Medien das letzte Wort erteilen, ist wichtig, sondern, wie ehrlich sie es mit ihren eigenen Warnungen denn wirklich meinen. Während sie im politischen Teil die Alarmglocken immer schriller läuten, ist auf den automobilen Seiten und im Sport wenig davon zu merken. Ganz im Gegenteil. Da werden die spritfressenden Luxuskarossen, Landrover und Pickups für den Hausgebrauch immer noch propagiert, jedes Formel-1-Rennen überschwänglich gefeiert. Die Doppelstrategie der Jusos hat die Redaktionsstuben erreicht.

Dafür, wie weit man es mit der Umweltheuchelei treiben kann, ein weiteres Beispiel. Da wirbt jetzt auf der Titelseite des neuen Kinder-SPIEGEL ein rettungsringbewehrter Eisbär auf einer schmelzenden Eisscholle um das Mitgefühl unserer Jüngsten. „S.O.S. im Eismeer. Warum es so schwer ist, die Welt zu retten“, lautet der Titel des Themenheftes, das die Jugend endlich aufklären will. Um die Antwort im Heft gleich selbst zu geben. Schon nach wenigen Seiten ist die Aufklärung samt Arktisbewohner vergessen. Da sitzt ein strahlender Junge am Steuer eines Rennwagens und erfährt von Formel-1-Pilot Sebastian Vettel, dass es auf der Rennstrecke in Singapur mehr nach Hähnchen als nach Benzin riecht. 

Die Reihe ließe sich beliebig verlängern. Unterstellt, eine lebenswerte Umwelt ist tatsächlich noch zu erhalten, was von mehr und mehr Wissenschaftlern bezweifelt wird, die von der Materie mehr verstehen, als die selbst ernannten Experten, dann müssen die in Kopenhagen Versammelten endlich konkrete Ziele vereinbaren. Warme Luft wurde schon genug produziert.

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