Tuvalu und die Welt

Kolumne vom 09.11.2016

„Wer Tuvalu aufgibt, der gibt die ganze Welt auf.“ Der Satz des Präsidenten von elftausend Insulanern sollte jedem Teilnehmer des Klimagipfels von Marrakesch täglich wie ein Weckruf erscheinen. Denn der Anstieg des Meeresspiegels, die Versalzung des Trinkwassers, die immer häufiger auftretenden lebensgefährlichen Taifune bedrohen weit mehr als das vermeintliche Paradies dieser Südseeinsel und ihre Bewohner.

Es geht wirklich ums Ganze, um die Zukunft der Erde. Tuvalu steht für den Vorboten eines Klimadesasters, das unweigerlich eintreten wird, wenn es uns nicht gelingt, die Kohlendioxidemission in den nächsten Jahren drastisch zu reduzieren. Das wird der Autoindustrie, die weiter auf Diesel und Benzin setzt, ebenso wenig gefallen wie Lobbyisten und Betreibern von Kohlekraftwerken, die auf „weitermachen“ setzen, statt auf sozial verträglichen Abschied von der Förderung und Verbrennung fossiler Energieträger. 

Jetzt haben wir es auch noch mit einem designierten US-Präsidenten zu tun, der die globale Erwärmung schlicht für „Bullshit“ und eine Erfindung der Chinesen hält. In zwei Amtszeiten will er erreichen, dass der zweitgrößte Emittent von Klimagasen 100 Milliarden Dollar für den Klimaschutz streicht und die Klimaprogramme der UN nicht mehr unterstützt. Trump ist eine Katastrophe für die Verhinderung der Klimakatastrophe! Wenn er jetzt noch den Ausstieg aus dem Pariser Klimaschutzabkommen durchsetzt, droht ein schwerer Rückschlag für die sich global entwickelnde ökologische Bewegung. 

Dabei gibt es gar keinen Ausweg, wenn uns die nachkommenden Generationen nicht völlig gleichgültig sind. Der Meeresspiegel steigt gegenwärtig jährlich um drei Millimeter durch forcierte Eisschmelze und Volumenzunahme der wärmer werdenden Ozeane. Der Weltklimarat rechnet deshalb bis 2100 mit einem Gesamtanstieg um bis zu einem meter. In Regionen, die nicht geschützt werden können, werden sich viele Millionen Menschen als Klimaflüchtlinge auf den Weg machen, wenn sie überleben wollen. Erkennen unsere Einwanderungsbestimmungen ihre Fluchtgründe an? Oder können sie uns in den reichen Ländern gar auf Entschädigung verklagen? Das gleiche gilt für Bewohner von Regionen, in denen Dürre- und Hitzeperioden häufiger werden und die landwirtschaftliche Produktion zum Stillstand kommt. Ab 2020 sollen die reicheren Industriestaaten jährlich 100 Milliarden Euro in einen Klimafonds für die ärmeren Staaten des globalen Südens einzahlen. Wird diese Summe je zusammenkommen, frage ich mich, wenn ich an die Solidarität der EU-Mitglieder in der gegenwärtigen Flüchtlingskrise denke und an den Ausstieg der Trump-USA. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen rechnet übrigens schon jetzt mit den dreifachen Kosten für die Anpassung an den Klimawandel. 

Jedenfalls wissen wir, dass für Lamento keine Zeit mehr bleibt. Technologien müssen schneller ausgetauscht werden. Die Energie, die in betrügerische Manipulierung der Schadstoffmessung investiert wurde, wäre besser in die wissenschaftlich-technische Forschung zu Brennstoffzellen oder leistungsfähigeren Batterien geflossen. Die Menge an Kohlendioxid, die jetzt noch ausgestoßen werden darf, damit die Erderwärmung nicht höher als 1,5 Grad steigt, beträgt 200 Gigatonnen. Genau soviel wurde aber bereits in den vergangenen fünf Jahren weltweit produziert. Und jede Tonne CO2, die jetzt noch zu viel in die Atmosphäre gelangt, muss dieser wieder aufwändig entzogen werden, warnt das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung.

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