Kolumne vom 28.07.2022
Wer würde schon daran zweifeln, dass Friedenssehnsucht und der Kampf für den Frieden zu den edleren Zielen und Taten der Menschheit gehören.
Aufrüstung, die unverschämten Gewinne einer Industrie, die aus allen Kriegen stets als Sieger hervorging, das „Nein zur Raketenrepublik Deutschland“ (ein Plakat von 1983) – das waren für mich stets Themen, mit denen ich die Politik ein künstlerisches Berufsleben lang begleitet habe. Mein Kommentar im Jahre 1981 zum Thema SICHERHEIT: „Der nächste Weltkrieg ist mit Sicherheit der letzte“.
Deshalb hat ein Friedensfestival mit Livemusik, Vorträgen und Debatten erst einmal grundsätzlich mit meiner Sympathie zu rechnen. Alles besser, als mit Fackeln durch (oft sächsische) Städte zu ziehen und dort lebenden Politikern – so sie nicht ein Mandat der AfD haben – mit Brandanschlägen zu drohen. In der vorigen Woche warnte der thüringische Verfassungsschutzpräsident Kramer, angesichts wachsender Krisenstimmung, infolge von Corona, Krieg und Energiepreisen könne die innere Sicherheit in Deutschland hart auf die Probe gesetellt werden. Es sei zwar nicht sinnvoll, Schreckensszenarien herbeizureden, aber die Demonstrationen der Querdenkerszene in den vergangenen zwei Jahren, könnten bei wachsender Arbeitslosigkeit infolge eines Gasnotstands ein erhebliches Sicherheitsrisiko schaffen.
Friedensfreunde aller Art und politischer Gesinnung sind ab heute für ein viertägiges Happening in eine Kleinstadt nördlich von Berlin eingeladen. Friesacks Bürgermeister hat die Freilichtbühne vermietet und freut sich schon jetzt über „bunte und abwechslungsreiche Veranstaltungen“, weil „das Landleben nicht immer spannend ist.“ Und schließlich mache es nicht dümmer, „wenn man sich andere oder abweichende Meinungen anhört“. In der Kreiszeitung folgt ein Lob auf die Meinungsfreiheit als aus guten Gründen geschütztes Grundrecht. Nicht nur das Bündnis gegen Rechts aus dem Brandenburgischen Falkensee, wo Festivalorganisator Malte Klingauf wohnt, sieht das anders, weil unter anderen Impfgegner und Klimaleugner mit der „pax terra musica“ genannten Veranstaltung eine Bühne bekommen. Der Berliner Tagesspiegel-Journalist und Szene-Kenner Sebastian Leber hat vor ein paar Tagen die nach Friesack reisenden Friedensfreunde genauer unter die Lupe genommen. Ein Blick auf die Unterstützer-Seite im Internet bestätigt seine Recherchen. Da findet man den Drushba-Verein, der im Herbst zu einer Radtour auf die Krim einlädt, da gibt es den Vortragsredner und Dokfilmer Dirk Pohlmann, der den russischen Überfall auf die Ukraine ganz im Sinne der Putin-Propaganda für eine begrenzte Militäroperation hält und die meisten der Gräueltaten für inszenierte Fake-Ereignisse. Im Musikprogramm taucht mit dem Wiener Verschwörungs-Rapper Kilez More ein exponierter Leugner des Klimawandels auf, bekannt von zahlreichen Querdenker-Veranstaltungen, ein Experte für die Theorie, Flugzeugkondensstreifen sollen gezielt die Bevölkerung vergiften. Als „Infokrieger im Informationskrieg“ war er einst auch geschätzter Interviewpartner von Ken Jebsen und RT DE.
Man könne davon ausgehen, dass auch Extremisten unter den Besuchern sein werden, vermutet der brandenburgische Verfassungsschutz, weil die Programmthemen Delegitimierer der Demokratie, Rechtsextremisten bis hin zu Reichsbürgern und Glorifizierern der DDR einladen.
Der Verkauf des 4-Tage-Tickets mit Zeltplatz für 110 Euro läuft gut, aber es sei noch Platz für bis zu 4999 Friedensbewegte – Restkarten an der Abendkasse.
Die Kolumne erschien am 28.07.2022 in der Frankfurter Rundschau.