Abrechnung auf Russisch

Kolumne 31. Juli 2014

Das schlimmste was einem politischen Gefangenen widerfahren kann, ist vergessen zu werden. Dies droht gerade Oleg Senzow im Moskauer Lefortowo-Gefängnis, weil der Flugzeugabschuss und die fortwährenden militärischen Auseinandersetzungen mit den Separatisten die Medien beherrschen. Der bereits international bekannte junge ukrainische Filmregisseur und Autor war nach der Annexion der Krim nicht aus seiner Heimatstadt Simferopol geflohen. Als Maidan-Aktivist geriet er deshalb sehr schnell ins Fadenkreuz des nun auch auf der Halbinsel aktiven russischen Inlandsgeheimdienstes FSB.

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Rechtsrock und Richterroben

Kolumne 3. Juli 2014

Der Rechtsradikale Oliver Malina gehört zu den Gewinnern des letzten Wochenendes (siehe Kolumne vom 5. Juni). Wieder einmal ist es ihm gelungen, für rund 1200 martialisch aufgeputzte Skinheads, das beschauliche Nordharzer Dorf Nienhagen in eine braune Konzerthochburg zu verwandeln. Und dies mit ausdrücklicher Genehmigung des Magdeburger Oberverwaltungsgerichts (OVG), das in zweiter Instanz den Verbotsantrag der Verbandsgemeinde und die Beschwerde des Landkreises noch wenige Stunden vor Beginn des Spektakels zurückgewiesen hatte.

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Wegbleiben als Waffe?

Kolumne 17. Juni 2014

Was würde ein Boykott bringen? Diese Frage müssen sich Künstler stellen, die in der nächsten Woche zur „Manifesta“ nach St. Petersburg eingeladen sind. Legitimieren sie mit ihrer Teilnahme die russische Kulturpolitik, weil als Partner vor Ort die staatliche Eremitage  zuständig ist?
Solch einen Konflikt hatte ich 1976 auch mit mir auszutragen, als mich der legendäre DDR-Kunsthistoriker und Galerieleiter Klaus Werner in die Ostberliner „Arkade“  einlud.  Das hat mir im Westen bei einigen Leuten den Vorwurf der Kungelei  mit dem Honeckerstaat eingebracht.

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Nienhagen – Rechtsrockfrei!

Kolumne 5. Juni 2014

Gudrun Schuster und Ute Röhrdanz sind zwei mutige Frauen. Sie kommen aus Nienhagen im Nordharz und standen kürzlich am Tag des Grundgesetzes auf einer Bühne in Berlin, weil sie als Botschafterinnen für Demokratie und Toleranz geehrt wurden.  Die Auszeichnung nahmen sie stellvertretend für ihr Bürgerbündnis „“Nienhagen-Rechtsrockfrei““ mit nach hause. Dort erwartet sie am 28. Juni das nächste Konzert in Form einer europaweit beworbenen Skinhead Party.
Die 380 Einwohner, geschützt durch mindestens die gleiche Anzahl von Polizeibeamten, stehen dann, wie schon in den letzten Jahren, mindestens 1200 Neonazis gegenüber.

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Dugins Plan

Kolumne 15. Mai 2014

An jenem Tag, als Putin vom Roten Platz in Moskau zur Flottenparade auf die frisch eroberte Krim eilte, fragte der deutsche Fernsehsender n-tv seine Zuschauer: Haben Sie Verständnis für Putins Politik? Am Anfang sagten 85% „ja“.  Kurz nach der Lifeübertragung des  Militärspektakels  war die Zustimmung um vier Punkte gestiegen.  Was passiert da gerade in der deutschen Öffentlichkeit?

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Bedingt abwehrbereit

Kolumne 7. Mai 2014

In diesen Tagen wird auf vielfältige Weise an die Spiegel-Affäre erinnert, in Wahrheit eine Affäre Franz-Josef-Strauß. 

Eine Titelgeschichte über die Bundeswehr ließ den schwarzen Verteidigungsminister der CSU rot sehen. Auf seine Veranlassung wurden der Spiegel-Herausgeber Rudolf Augstein, Conrad Ahlers und andere inhaftiert. Nicht nur zur Überraschung von Strauß war die Öffentlichkeit äußerst alarmiert, galt doch die Pressefreiheit als anerkannt schützenswertes Gut. 

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Hauptsache Europa 

Kolumne 24. April 2014

Es ist eigenartig: Vier Wochen vor einer so wichtigen Wahl so wenig Spannung. Am interessantesten könnte noch werden, ob sich, gemessen an der letzten Europawahl, mehr als 43% der Deutschen, mehr als ein Drittel der Briten oder ein Viertel der Polen entschließen kann, seine Stimme abzugeben. Das wäre immerhin ein Zeichen für eine gestiegene Akzeptanz des Europäischen Parlaments, dessen rund 750 Abgeordneten man medial nur selten begegnet. 

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Treibhaus Erde

Kolumne 10. April 2014

Es gibt sie immer noch, jene hartnäckigen Leugner eines von Menschen verursachten globalen Klimawandels, der schon für die allernächsten Generationen zur Existenzfrage wird. Sie lassen sich weder durch verschwindende Gletscher, noch klimabedingtes Artensterben oder Ernteausfälle von Weizen und Mais beirren in ihrem Glauben an ein selbstregulierendes System, das diese Welt schon irgendwie im Gleichgewicht halten wird.

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Memorial in Gefahr

Kolumne 4. Dezember 2014

Wer in der Zeit der Stalinherrschaft und des großen Terrors als „ausländischer Agent“ gebrandmarkt wurde, hatte nicht mehr lange zu leben oder es erwartete ihn eine lange Lagerhaft. Das prägte sich tief in der kollektiven sowjetischen Erinnerung ein. Man wird es vor zwei Jahren gut bedacht haben, als einige Nichtregierungsorganisationen von der russischen Justiz verpflichtet wurden, sich ins Register „ausländischer Agenten“ eintragen zu lassen. Wer finanzielle Unterstützung aus dem Ausland bezieht, wie zum Beispiel die Böll-Stiftung in Moskau, wer verdächtigt wird, politische Absichten zu verfolgen, und sei es das hehre Ziel, die Zivilgesellschaft zu stärken, der sollte seitdem auf alles gefasst sein.

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